„Wir haben eine zukunftsweisende Technologie zur Senkung von Prozesskosten entwickelt. Diese Einsparung wollen wir möglichst vielen internen Kunden zur Verfügung stellen“, sagt Steven Depper, Projektleiter ACDC, Stamping Facility Weinheim. Im ersten Implementierungsprojekt sind die Division Oil Seals Industry sowie der Tool Shop von Freudenberg Sealing Technologies (FST) in Laudenbach die Partner.
CDC ist die Abkürzung für Automated Compound Die Changeover. Der Begriff steht für ein neues Stanzzellenkonzept, das Rüstvorgänge in der Fertigung der metallischen Trägerteile von Dichtungen automatisiert und dadurch enorm verkürzt: auf weniger als zwei Minuten, also nur noch einen Bruchteil der Zeit, die früher fürs Umrüsten – unproduktiv – verstrichen ist (siehe Sealing World 03_2021).
Das innovative Verfahren spielt seine Vorzüge am stärksten aus, wenn kleine Losgrößen zu fertigen sind, also pro Schicht mehrmals umgerüstet werden muss. Für das ersten gemeinsame Projekt lag es somit nahe, mit der Division Oil Seals Industry zusammenzuarbeiten, insbesondere mit deren tschechischem Standort Opatovice. Hier fertigt FST über 5.000 verschiedene Standardteile unterschiedlichster Abmessungen, in sehr vielen Fällen Katalogware in vergleichsweise kleinen Serien. Im Gegensatz zur Automobilindustrie sind im Industriegeschäft, insbesondere bei Katalogartikeln, geringere Stückzahlen von ein paar Hundert oder einigen Tausend die Regel. Gleichzeitig schwanken die Stückzahlen pro Artikel jedes Jahr erheblich. Flexible Produktionskonzepte sind deshalb über die gesamte Prozesskette erforderlich.

500 Standardteile
Das Projekt mit Oil Seals Industry greift rund 500 dieser Standardteile heraus; die allermeisten dieser Simmerringe werden in Opatovice produziert. Bis Herbst 2023 sollen die Bleche für diese ersten rund 500 Artikel allesamt mit der neuen Technologie in Weinheim hergestellt werden. „Der Wettbewerb und Preisdruck bei solcher Katalogware sind in der Dichtungstechnik enorm. Gleichzeitig ist das Metallblech für uns die wichtigste Komponente, die die Wettbewerbsfähigkeit unserer Produkte beeinflusst. Von daher ist die effiziente und flexible Fertigung dieser Vorprodukte mithilfe der ACDC-Technologie für uns von großer Bedeutung“, ordnet Ondrej Michalec, Purchase Manager in Opatovice, die Tragweite des Projekts für den tschechischen Standort der Oil Seals Division ein. Zudem bedeutet es, dass das tschechische Werk künftig Metallteile erhält, die mit einheitlichen Werkzeugen in einheitlicher Qualität hergestellt werden. Diese Standardisierung erleichtert die Weiterverarbeitung der Bleche.
Apropos Werkzeuge: ACDC setzt neue Verfahrensstandards und erfordert neue Werkzeuge nach einem neuen Werkzeugstandard. Hier kommt der FST Tool Shop in
Laudenbach ins Spiel. „Es liegt viele Jahre zurück, dass wir die letzten Werkzeuge für die Stanzerei gefertigt haben“, denkt Marco Deuchert, Operations Manager Tool Shop, zurück. Viel lieber blickt er nach vorn. Denn: Der Tool Shop wird sämtliche Stanzwerkzeuge für das erste ACDC-
Großprojekt herstellen. Ein Großauftrag.

Werkzeuge aus Laudenbach
„Durch die interne Fertigung der Werkzeuge in Laudenbach schützen wir unser Know-how bei dieser neuen Fertigungstechnologie. Außerdem sprechen die räumliche Nähe und die damit verbundenen kurzen Wege für den Tool Shop“, nennt Projektleiter Depper zwei Gründe für die Entscheidung.
Als weitere Argumente „Pro Laudenbach“ fügt Deuchert Qualität und Preis hinzu. „Die technischen Fakten sprechen für uns. Wir haben ein hochmodernes, hocheffzient arbeitendes Dreh-Fräszentrum in Betrieb genommen, das sowohl den Dreh- als auch den vollständigen Fräsprozess übernimmt. Vor rund eineinhalb Jahren haben wir zudem in eine neue Vakuum-Härterei investiert, welche in der Region technologisch Benchmark ist. In den Vakuumöfen härten wir die Werkzeuge durch und steuern den Prozess derart, dass durch gezielte Gefügebeeinflussungen Volumenänderungen vermieden oder gezielt herbeigeführt werden können. Somit sind wir in der Lage, bei wirtschaftlich konkurrenzfähigen Kosten höhere Qualität zu liefern und Mitbewerber auszustechen.“
Das Ergebnis ist 1A-Qualität. Das sogenannte „Try-out-Team“ nimmt in der Stanzerei in Weinheim die aus Laudenbach gelieferten Werkzeuge unter die Lupe und baut sie auch das erste Mal in die mit der ACDC-Technologie ausgerüstete Presse ein. „Wir haben an den Werkzeugen aus Laudenbach nur einen sehr geringen Nachbearbeitungsaufwand. Die Qualität der Geometrien stimmt“, zieht Depper ein positives Zwischenfazit nach der ersten Charge. Die Zielsetzung lautet, so Deuchert, in Laudenbach jeden Arbeitstag ein weiteres Werkzeug fertigzustellen. „Durch standardisierte Halbzeuge, geometrische Ähnlichkeitsbildung und Parallelfertigung konnte die Durchlaufzeit von zehn Arbeitstagen auf aktuell 1,5 Arbeitstage gesenkt werden. Die Zieldurchlaufzeit ist also in greifbarer Nähe.“
Auf den Punkt gebracht: Für alle Projektpartner geht es um Wettbewerbsfähigkeit. Die Division Oil Seals kann den Endkunden Katalogartikel hoher Qualität zu konkurrenzfähigen Preisen anbieten. Dies gelingt, weil die internen Zulieferer – Tool Shop und Stanzwerk – externen Stanzereien und Werkzeugbauern in puncto Qualität und Zeit überlegen sind. In puncto Kostenstruktur und Preis können sie mithilfe moderner – automatisierter – Technologien wie ACDC sowie der Anwendung von Lean-Methoden im Werkzeugbau ebenfalls punkten. „Fertige Simmerringe müssen auch im Preiswettbewerb bestehen. Dies erreichen wir mit einem hohen Automatisierungsgrad und der stetigen Weiterentwicklung der Technologien“, fasst Depper zusammen.
Übrigens: Auch an den FST-Standorten Langres, Bristol und Cleveland werden Pressen mit der neuen ACDC-Technologie automatisiert.